In den letzten Tagen habe ich auf Instagram immer wieder Reels gesehen, wo es darum ging dass Mamas Superheldinnen seien, weil sie doch immer funktionieren MÜSSEN. Sei es beim Thema Mental Lead, sei es wenn die Kinder krank sind oder sie selbst. Wenn die sie harte Schicksalsschläge ereilen und so weiter. Vor einigen Monaten hätte ich dies zu 100% so unterschrieben. Aber liebe MaPa, lass mich dir bitte weiter erklären wieso dies keine Stärke ist. Und wieso ich mir wünsche, dass dies auch die Gesellschaft erkennt!

Kurzer Exkurs in das Nervensystem
Wir möchten als Eltern immer und jederzeit unser Bestes geben, was überhaupt nicht verwerflich ist! Unsere Art und Weise zu leben und in welche Richtung sich die Gesellschaft schon seit Jahren entwickelt ist Gift für unser Nervensystem – immer mehr, immer schneller und immer belastbarer müssen wir sein, um Bestand zu haben. Täglich jonglieren wir Unmengen an Aufgaben, kümmern uns um unzählige Anliegen und Bedürfnisse – und das am besten gleichzeitig! Ich glaube wir sind uns alle ziemlich einig, dass das nicht gesundheitsfördernd ist. Ich denke, dass uns allen bewusst ist, dass diese Art zu leben kein Dauerzustand sein kann. Doch was bedeutet das alles für unser Nervensystem?
Unser Nervensystem reagiert auf Stress und Belastung in verschiedenen Phasen. Der Sympathikus, unser „Alarmmodus“, hilft uns in Notfällen indem er uns auf „Kampf oder Flucht“ vorbereitet. Doch wenn wir konstant unter Druck stehen, ohne uns ausreichend zu erholen, bleibt dieser Zustand aktiv. Dies führt zu einer dauerhaften Belastung.
Ein weiterer, oft weniger Bekannter Zustand ist der „functional Freeze“. Es ist eine Art „einfrieren“, wenn der Stress zu gross wird und das Nervensystem auf eine extreme Belastung reagiert. Wir funktionieren weiter, aber wir sind emotionale und körperlich erschöpft ohne wirklich zu merken wie leer wir uns fühlen. Dieser Zustand mag von aussen nicht sichtbar sein aber man fühlt ihn.

Das Problem der Gesellschaftlichen Normen und das Ideal der Stärke
Unsere Gesellschaft preist die Bilder von „starken“ oder „unerschütterlichen“ und „unermüdlichen“ Eltern. Es wird als Stärke wahrgenommen, immer produktiv zu sein, nicht zu jammern und ständig das Beste zu geben (wobei wer definiert denn, was gerade unser Bestes ist? Das ist ein anderes Thema, ein anderes Mal mehr dazu).
In unserer Kultur gilt Schwäche als ein Zeichen von mangelnder Erziehung, Disziplin oder Wille. Gönnt sich ein Elternteil eine Pause, sieht der Haushalt nicht so „vorteilhaft“ aus oder wird eine Torte zur Geburtstagsfeier bestellt wird man heute schnell als unfähig oder schwach wahrgenommen. Ich gebe zu, dieses Bild und diese Erwartungshaltung hatte ich lange an mich selber auch.
Aber dieses ständige nachrennen und streben nach Perfektion (Da gibt es zum Beispiel in der Bedürfnisorienterten Bubble genug!) in Paarung mit dem ewigen Funktionieren ist gefährlich. Auf lange Sicht kann dieser Zustand nämlich das Gegenteil von Erfüllung, sich angenommen zu fühlen und den Normen zu entsprechen, führen -> nämlich zu einer chronischen Überlastung, die das Nervensystem überfordert.
Functional Freeze im Familienalltag – so kann es aussehen
Im Familienalltag zeigt sich dieser Zustand in sehr vielen Verschiedenen Symptomen. Von subtil bis ausgeprägt, individuell und doch oft ähnlich.
- Unaufhörliches Funktionieren -> Du springst von einer Aufgabe zur nächsten, ohne wirklich einmal zur Ruhe zu kommen. Egal was du alles schon erledigt hast, es gibt einfach immer etwas zu tun und deine ToDo Liste ist immer schier endlos.
- Emotionale Erschöpfung -> Du reagierst nicht mehr wirklich auf eure Bedürfnisse. Es kann sein dass es dir schwer fällt, dich emotionale einzulassen oder zu engagieren
- Rückzug und Vermeidung -> Anstatt Konflikte oder schwierige Gespräche anzugehen, vermeidest du sie oder schiebst sie weiter auf (zB. auch People Leasing)
- Körperliche Erschöpfung -> Der ständige Stress zeigt sich zB. in Schlaflosigkeit, Verspannungen, Kopf- oder Rückenschmerzen, die nicht so richtig verschwinden wollen.
- Gefühl der Überforderung -> Die Freude im Alltag wird weniger, vielleicht kannst du auch die kleinen, schönen Dinge nicht mehr sehen. Die Tage können sich endlos anfühlen.
Mir ist es an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass diese Symptome auch ohne den Zustand „funktional Freeze“ auftreten können! Dies können auch Symptome einer temporären Belastung sein. Dennoch ist es hilfreich, aufmerksam zu sein und regelmässig Inne zu halten und zu überprüfen wo man gerade steht.

Okay, und jetzt?
Wir wissen nun, dass der Zustand des „funktional Freeze“ ungesund ist. Er hält uns langfristig in einem langfristigen Stressmodus der sich früher oder später auch auf unsere Gesundheit auswirken wird. Chronischer Stress schwächt das Immunsystem, erhöht den Blutdruck und führt zu emotionaler Erschöpfung – um Beispiele zu nennen.
Es brauchte seine Zeit und einige Anläufe, bis ich das wirklich nicht nur im Kopf sondern auf allen Ebenen verstanden habe. Wir sitzen alle im selben Boot! Aber ich habe erkannt wie notwendig es ist, dass diese gesellschaftliche Erwartung mehr Schaden als Gesundheit anrichtet und dass wir daran etwas ändern müssen. Nicht nur für unsere eigen Gesundheit sondern auch für die kommenden Generationen.
Ich weiss dass es kein schönes Gefühl ist, wenn man sich so wirklich bewusst wird, dass man eigentlich immer gestresst ist. Es braucht auch Mut, dies zu zugeben und sich dessen zu stellen. Aber es ist machbar liebe/r MaPa!
Ich möchte dir eine einfache Sache mit auf den Weg geben. Sie wird dich nicht stressfrei machen, sie wird deine Herausforderungen nicht lösen, dafür braucht es ehrlicherweise mehr Auseinandersetzung, Übung und Geduld. Aber es ist ein Anfang.
Plane dir täglich 3-4 kleine Auszeiten ein. 5-10 Minuten – ohne schlechtes Gewissen! – Ich weiss, wenn man täglich funktioniert und nur noch Dinge sieht die zu erledigen sind kann das unheimlich schwer sein.
Aber nimm dir diese Zeit und tue nichts. Setze dich bequem hin, konzentriere dich auf deinen Atem. Du kannst dir auch vorstellen, wie du mit jedem Ausatmen einen Teil deines Stresses loslässt. Nutze die Zeit, um dich mit dir selbst, deinem Körper und deinen Bedürfnissen und Empfindungen zu verbinden. Diese Fragen an dich selber können dir dabei helfen:
- Was spürst du? Wie fühlt sich sein Körper an? Wie geht es deinem Körper? Du kannst dich von Kopf bis Fuss „abspannen“ oder einfach hinhören was du empfindest.
- Wo stehst du gerade Emotioal? Was fühlst du? Wo merkst du diese Gefühle in deinem Körper? Kannst du zB. spüren dass dein Herzschlag sich verlangsamt?
- Was brauche ich? Brauchst du frische Luft? Ein paar Sonnenstrahlen? Einen wärmenden Tee? Was kannst DU dir heute geben?
- Was würde mir jetzt oder heute Freude bereiten? Findest du etwas, womit dir dir selbst eine Freude bereiten kannst? Das kann dein Lieblingsessen sein, ein Vollbad oder auch eine verlängerte Pause.
Ich habe selbst gelernt, dass es keine Schwäche ist, wenn wir uns selber Pausen gönnen. Ich habe auch gemerkt, wie effektiv und stärkend auch kleine Pausen sein können. Ich weiss selbst als Mama von 3 Kindern dass es auch nicht immer einfach ist sich solche Zeitlots frei zu räumen. Aber es ist möglich.
Fangen wir an, für uns selbst und für unsere Kinder, die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen neu zu schreiben. Geben wir ihnen neue Erkenntnisse, Werte und Normen auf den Weg. Fangen wir an, die Gesundheit von kommenden Generationen zu verändern.
Deine Jeannine
PS: Ich freue mich auf Austausch! Wenn du magst, lasse gerne einen Kommentar da. Vielleicht diene Gedanken zu diesem Thema oder ob er etwas in dir ausgelöst hat. Ich bin auch immer gerne da für Fragen und Anregungen!

Ich freue mich auf den Austausch mit euch!