Heute sitze ich da und spüre: mein Herz ist schwer. Ich weiss nicht warum. Früher hätte ich versucht, das Gefühl wegzumachen, es zu verdrängen oder mir einzureden, warum ich mich so fühle. Heute entscheide ich mich bewusst: Ich bleibe sitzen. Ich beobachte. Ich gebe dem Gefühl Raum – auch wenn es weh tut, nicht zu wissen, woher es kommt.
Während ich hier sitze, denke ich an Kinder. Wie muss es sich für sie anfühlen, wenn sie sich nicht gut fühlen, aber den Ursprung nicht benennen können? Sie spüren nur: irgendetwas ist komisch in mir. Und weil sie sich selbst noch nicht regulieren können, drücken sie das Gefühl über ihr Verhalten aus. Sie werden laut, ärgern andere, brüllen oder haben einen Wutanfall.

Druck von aussen
Wir Erwachsene reagieren dann oft so: „Sag doch, was los ist. Benimm dich. Ich will dir doch nur helfen.“ Aber genau das setzt Kinder noch mehr unter Druck. Sie beginnen zu glauben: mit mir stimmt etwas nicht. Sie spüren den Schmerz, ohne ihn einordnen zu können, und bleiben damit allein.
Wenn die Co-Regulation fehlt..
Ich merke heute, wie sehr mir selbst Co-Regulation fehlt, wenn ich allein mit einem schweren Gefühl sitze. Kindern geht es genauso – nur dass sie noch auf uns angewiesen sind. Sie suchen Co-Regulation durch ihr Verhalten. Sie hoffen, dass wir ihnen den Raum, die Geborgenheit, die Liebe und die Begleitung geben, die sie selbst noch nicht schaffen können. Bekommen sie das nicht, lernen sie ein anderes Muster: Gefühle unterdrücken, kompensieren, ignorieren. Dieses Muster schützt zwar kurzfristig, doch es begleitet sie bis ins Erwachsensein.
Wie eine Zwiebel…
Gefühle sind vielschichtig. Vielleicht ist die Wut nur die oberste Schale. Darunter liegt eventuell Verzweiflung und noch tiefer Trauer. Solange wir nur an der Oberfläche bleiben, kommen wir nicht an den Ursprung – und können die Wunde nicht heilen. Auch wir Erwachsene tragen offene Wunden und vernarbte Stellen in Körper und Seele, die Aufmerksamkeit brauchen. Es ist schmerzhaft, sich dem zuzuwenden. Rückschläge gehören dazu. Aber genau dieser Weg lohnt sich – für uns selbst, für unsere Kinder und für kommende Generationen.
Raum für Gefühle
Gefühle sind nicht das Problem. Das Problem ist, wenn wir ihnen keinen Raum geben. Für unsere Kinder. Und auch für uns selbst. Deshalb möchte ich dir Mut machen: Lass deine Gefühle da sein. Schenke auch den Gefühlen deiner Kinder Raum. Erinnere dich daran, dass Emotionen nicht dazu da sind, weggemacht zu werden. Sie sind da, um gefühlt zu werden. Und sie gehen auch wieder vorbei.

Abschied vom Schmerzgefühl
In drei Stunden werde ich nicht mehr dasselbe Schwere fühlen. Und es ist okay, wenn ich mich dann auch wieder ablenke. Wichtig ist nur, nicht sofort zu unterdrücken. Denn Gefühle brauchen Raum – bei uns und bei unseren Kindern.
Mut
Gefühle sind unser Kompass – sie zeigen uns, wo wir Aufmerksamkeit brauchen und was uns bewegt. Es ist nicht einfach, ihnen Raum zu geben, aber genau darin liegt die Kraft. Indem wir lernen, unsere eigenen Emotionen wahrzunehmen und anzunehmen, können wir auch unsere Kinder begleiten und ihnen Sicherheit schenken. Jeder Moment, in dem wir stehenbleiben, zuhören und fühlen, ist ein Moment des Wachstums – für uns selbst, für unsere Kinder und für die Verbindung zwischen uns.
Deine Jeannine

Ich freue mich auf den Austausch mit euch!